Es gibt zwei Arten von Menschen

Die Kinder des Tages, die Kinder der Nacht. Die einen folgen dem Licht – die anderen folgen ihm nicht. Die einen sind Kinder des Tages, die anderen Kinder der Nacht.

Die einen folgen dem Licht – die anderen folgen ihm nicht. Die einen folgen der Sonne und ihren konstanten (ewig gleichen) Gesetzen. Die anderen folgen dem wechselhaften Mond – oder sie folgen der finsteren Nacht, die sie dazu zwingt, die Richtung im Inneren der eigenen Dunkelheit zu suchen. Die einen sind Tag-Wesen, die anderen Kinder der Nacht.

Die einen geboren unter dem sicheren Licht der Sonne, die anderen im unbeständigen Schein des Mondes – oder in dunkler Nacht.
Die einen kennen die Klarheit – oder streben sie an. Sie fragen stets, was richtig ist, was richtigerweise getan werden muss – egal ob es zu ihrem Vorteil gereicht oder nicht. Sie sind aktiv und direkt. Nach außen gewandt, denn ihre Frage richtet sich nach oben und nach einem Äußeren, das über ihnen steht. Und das mit Recht.
Ihre Frage/ihr Blick richtet sich auf die Welt/das Gesetz.
(Im Raum richtet sich ihre Frage nach außen, im Raum/in der Welt richten sie sich nach außen, in der Zeit aber richtet sie sich zurück: Sie sind in die Vergangenheit gewandt, da sie dort den Ursprung der Gesetze vermuten.)

Die anderen kennen die Klarheit nicht; die anderen kennen die Ungewissheit, die Veränderung – sie fragen sich, was kommen wird, ob es gut für sie ist – oder nicht. (Ob es ihrem Leben schaden wird – oder nicht. Ob es Wachstum oder Verlust/Schwund bringen wird.)
Sie sind nicht von Natur aus passiv. Sie sind reaktiv und indirekt. So wie das Licht des Mondes nicht aus sich kommt, sondern als Spiegelung (von der Sonne).
Sie sind nach innen gewandt. Ihre Frage/ihr Blick richtet sich auf das Leben.
(Im Raum richtet sich ihre Frage nach innen, im Raum/in der Welt richten sie sich nach innen, in der Zeit aber richtet sie sich nach vorne: Sie sind in die Zukunft, die mit dem heute beginnt, gewandt.)

Es ist nicht recht – und nicht gut, eines von beiden zu preisen und das andere zu verdammen. Die Tag/Sonnenmenschen tun das Richtige – oder das, wovon sie überzeugt sind, das es das Richtige sei – oft zum eigenen Nachteil oder Schaden.
Während die Nacht/Mondmenschen oft das Falsche – von dem sie wissen, das es falsch ist – zum eigenen Vorteil tun – und sei es nur um den Vorteil des Überlebens.

Das Eine und das Viele (= Nicht-Eine)

Die Menschen, die bei Tag geboren werden, sehen das Licht. Aber sonst sehen sie nichts. Die Sonne in ihrer Helligkeit überstrahlt alles. Sie sehen alles auf der Erde, aber sie sehen den Himmel nicht.
Die Menschen, die bei Nacht geboren werden, sehen die Dunkelheit. Sie sehen entweder die Veränderung des Mondes oder sie sehen die Vielfalt der (kleinen) Sterne.

Die Menschen, die bei Tag geboren werden, sehen das Eine.
Die Menschen der Nacht sehen das Viele. Sie sehen die Dinge viel differenzierter.

Die Menschen, die bei Tag geboren werden, sehen alles auf der Erde, aber sie sehen den Himmel nicht.
Die Menschen, die bei Nacht geboren werden, sehen vieles am Himmel, aber sie sehen die Erde nicht.

Die Einen/Tagseelen streben nach dem Einen, der einen Wahrheit, die anderen/Nachtseelen nach dem Vielen, Möglichkeiten, Lösungen – und seien es Lügen.
Beide streben nach Leben – die Nachtmenschen nach Überleben, die Tagmenschen nach ewigem Leben (dem richtigen Leben) und Ruhm.

Die Vielen (die Masse, das Volk) werden sich nie für den Ruhm entscheiden oder nur (!) für das, was würdevoll ist, denn sie sind zu sehr mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Wie leicht ist es, einen Augenblick lang Held zu sein; und wie schwer ein Leben lang den Alltag zu meistern.
Die Vielen mögen das Eine (den Einen) bewundern, doch so sehr sie es auch bewundern, so wenig vermögen sie es zu verstehen – denn es ist ihrer Natur entgegengesetzt/denn es widerspricht ihrer eigenen Natur.
(Sie mögen dem Einen scheinbar nacheifern oder sich in seinem Glanz erfreuen, so sehr dürfen wir die Vielen nicht mit dem Einen verwechseln – und den Mond nicht mit der Sonne.)
Das Eine hingegen wird die Vielen nie bewundern, es wird auch nicht versuchen, sie zu verstehen; und würde es das versuchen, es würde ihm nicht gelingen – denn es ist seiner Natur entgegengesetzt/denn es widerspricht seiner eigenen Natur.

Beides – Tag und Nacht, das Eine und das Viele – sind notwendige Widerparte (Gegenspieler) im Kreislauf des Lebens. Das Leben aber strebt nicht nach – und es beruht nicht auf – dem Gleichgewicht der beiden (Gegensätze/-spieler). Es beruht auf ihrem steten Wechsel. So mögen die Tagmenschen die Ewigkeit betonen, und die Nachtmenschen erwidern, das ewig nur der Wechsel ist. Die Tagmenschen mögen nach der einen Wahrheit leben, die Nachtmenschen aber in den vielen Wirklichkeiten, wo die einzige Wahrheit vielleicht ist, dass es keine Wahrheit gibt.

Während sich das Eine gleicht, sind die Vielen verschieden. Bei den einen erkennen wir das Gemeinsame stärker, bei den anderen die Unterschiede.
Doch alles trägt den Schatten des Gegenteils in sich.

Die Gefahren der Extreme und der Intoleranz

Das Eine mag viel intoleranter sein, weil es die Vielfalt nicht kennt oder nicht akzeptiert und nach der einen richtigen Form des Lebens/Tuns strebt.

Das (enthaltene) Dritte

Die Tagmenschen können wir als Sonnenmenschen bezeichnen. Die Nachtmenschen aber nur zum Teil als Mondmenschen, weil der Mond nur bei der Hälfte der Kinder der Nacht zu sehen ist./weil der Mond nur bei der Hälfte der Nachtgeburten am Himmel zu sehen ist.
Wie in der Frau das Kind enthalten ist, ist in der Nacht der Mond enthalten – oder die Abwesenheit des Mondes.
Wir können jede Zweiheit Tag und Nacht zuordnen.
Tag und Nacht herrschen über alles, was zwei Seiten/Zustände hat. So auch die Geschlechter.

Das Männliche folgt/entspricht dem Tag. Und das Weibliche folgt/entspricht der Nacht. Wir reden hier vom – im Prinzip – rein Männlichen und rein Weiblichen, das in der Natur nie in Reinheit vorkommt. Die Menschen sind Mischwesen. In jedem Mann sind weibliche Teile und in jeder Frau männliche. Und doch ist ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau. (Oder sagen wir es anders: Und doch ist das Männliche männlich und das Weibliche weiblich.)

Zwei Formen des Lebens: Das eine und das andere

Das Männliche findet sich am Tag und in der Nacht. So wie das Weibliche auch.
Das eine ist der eigenen Natur gleich, das andere ist ihr fremd.
Es ist nicht richtig und nicht gut, diese eine Wahrheit und die vielen Wirklichkeiten zu ignorieren.

Denn so wie es zwei Arten von Menschen gibt, gibt es zwei Formen des Lebens: das Leben nach der eigenen Natur und das Leben nicht nach der eigenen Natur. Männer des Tages und Frauen der Nacht, Frauen des Tages und Männer der Nacht.
Die einen leben gemäß der eigenen Natur – oder zumindest ihr näher; die anderen leben gegen die eigene Natur – oder erleben Widerstand von innen und außen.
Die einen werden unterstützt durch die Welt und das Leben, anerkannt und bestätigt. Die anderen nicht. Sie werden nicht erkannt – nicht von der Welt und schwer von sich selbst. Und auch nicht zwangsläufig/immer von jenen, die einem gleichen, denn die erkennen sich genauso wenig selbst.